Erinnern im Stadtteil Hochzoll

Erstellt am 29. April 2019

Mehr als ein Dutzend Erinnerungsbänder zum Gedenken an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hat die ErinnerungsWerkstatt seit einigen Jahren im Stadtgebiet aufgestellt - in der Innenstadt, in Oberhausen und Kriegshaber. Nun soll das Gedenken auch auf Hochzoll ausgeweitet werden.

Am Mittwoch, 15. Mai, wollen Mitglieder der ErinnerungsWerkstatt, der Hochzoller Kulturtage und des Rudolf-Diesel-Gymnasiums an die vertriebenen und ermordeten Hochzoller Juden erinnern.

Im Unterschied zu anderen Augsburger Stadtteilen ist Hochzoll noch recht jung. Als es 1913 zu Augsburg kam, hatte es dörflichen Charakter, Häuser gab es fast nur entlang der Friedberger Straße. Zum beliebten Wohnviertel mit hohem Freizeitwert wurde es erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg. Wer in den letzten Jahrzehnten hergezogen oder hier aufgewachsen ist, blickt daher, wenn es um Geschichte geht, eher in die Innenstadt, nicht unbedingt nach Hochzoll.

Aber selbstverständlich war dieser Stadtteil während der NS-Diktatur ebenso von Unterdrückung und Ausgrenzung geprägt wie andere Augsburger Stadtteile. Einige Zeitzeugen haben in den Achtzigerjahren ihre Erinnerungen notiert. Es gibt auch die Akten aus dem Spruchkammerverfahren gegen den Hochzoller Ortsgruppenleiter der NSDAP Jakob Schuhmann, einen selbstständigen Gärtnermeister und Stadtrat, aus denen hervorgeht, dass er einige Leute denunzierte.

In einem Lager an der Zugspitzstraße, zwischen Hochzoll und Lechhausen, wo heute Sportanlagen sind, mussten mehr als 1000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter leben. Sie wurden erst durch den Einmarsch der amerikanischen Truppen befreit.

Und es gab jüdische Menschen, die in Hochzoll lebten, ehe sie vertrieben oder ermordet wurden. An sie soll nun in einer Veranstaltung erinnert werden - am Mittwoch, 15. Mai, 19 Uhr in der Aula des Rudolf-Diesel-Gymnasiums. Für die musikalische Umrahmung konnte Kantor Nikola David gewonnen werden, der von Stephanie Knauer begleitet wird. Auch die Concert Band des Rudolf-Diesel-Gymnasiums studiert für diesen Anlass einige Musikstücke ein. Die langjährige Leiterin des Jüdischen Kulturmuseums, Prof. Benigna Schönhagen, wird über das Ende der zweiten jüdischen Gemeinde in Augsburg sprechen, und die beiden Hochzoll-Historiker Alfred Hausmann und Dr. Michael Friedrichs werden die Informationen vorstellen, die sie über die Hochzoller Juden in Erfahrung bringen konnten.

Zum Beispiel über die Gebrüder Alfred und Fritz Bernheim. Ihre Eltern erwarben 1919 das Anwesen Peterhofstraße 33, das heute noch im Wesentlichen unverändert besteht. Die Brüder betrieben dort eine Holzstoffwarenfabrik, in der wasserdichte Gefäße aus Pappmaché hergestellt wurden. Bereits 1933 mussten sie das Haus deutlich unter Wert verkaufen. Sie wanderten nach England aus, wo sie sich nur mit Mühe eine neue Existenz aufbauen konnten. Sie hatten offenbar erkannt, welche Bedrohung das Hitlerregime für Juden darstellte.

Von Marie Leiter, die 1876 geboren wurde, sind nur einige Stationen ihres Lebensweges dokumentiert. Ihr Vater Moritz Leiter betrieb ein Geschäft für Band-, Putz- und Seidenwaren, zunächst in der Unteren Maximilianstraße, später in der Fuggerstraße. Mit 21 Jahren heiratete Marie den Kaufmann Julius Kahn aus Darmstadt und zog dorthin. Nach 16 Jahren ließ sie sich scheiden und wohnte bis 1926 bei ihrer Mutter in München, anschließend in Augsburg. 1933 zog sie in die Zugspitzstraße 28 in Hochzoll. 1942 wurde sie zusammen mit ihren Brüdern Karl und Julius über München-Milbertshofen ins Ghetto Piaski verschleppt, wo sich ihre Spur verliert. Vermutlich wurde sie wie die anderen nach Piaski deportierten Juden in einem der nahe gelegenen Vernichtungslager umgebracht.

Friedrich Strauss, geboren 1891 in Binswangen, besuchte in Augsburg die städtische Hilfsschule, da er geistig behindert war. Er wurde durch ein von seinen Eltern eingerichtetes Vermächtnis unterstützt und zog 1936 in die Friedberger Straße 147 zu seinem Bruder Theodor. Er blieb auch dort, als sich der Bruder 1941 ins Jüdische Krankenhaus in Fürth begab, wo er verstarb. Friedrich Strauss wurde am 2. April 1942 als einer von 444 schwäbischen Juden über das Judenlager München Milbertshofen nach Piaski deportiert. Für ihn soll ein Erinnerungsband gesetzt werden, sobald an der Stelle, wo er wohnte, der Neubau errichtet ist.

Die Lebensgeschichten von Friedrich Strauss und Marie Leiter sind im Online-Gedenkbuch der ErinnerungsWerkstatt dokumentiert: gedenkbuch-augsburg.de