Besuch im "Hotel Silber" in Stuttgart

Erstellt am 27. Oktober 2020

Über den Besuch der ErinnerungsWerkstatt im Stuttgarter "Hotel Silber" am 21.10.2020 berichtet Claudia Huber:

In einer Kleingruppe wurde uns eine erstklassige, historisch bestfundierte Führung im “Hotel Silber” durch den hauptverantwortlichen Kurator der Ausstellung, Herrn Friedemann Rincke, geboten. Das Hotel aus dem 19. Jahrhundert war von 1928-1945 Geschäftsstelle der Gestapo Württemberg-Hohenzollern, dann bis 1984 wieder Sitz des Stuttgarter Polizeipräsidiums. Durch eine Bürgerinitiative wurde das Gebäude vor dem Abbruch bewahrt und als Lern- und Gedenkort mit der Dauerausstellung “zu Polizei, Gestapo und Verfolgung” neu gestaltet, blieb aber in seiner Architektur weitgehend erhalten. So zeigt z.B. der 1. Stock weiterhin die typische, unveränderte Struktur eines Hotels bzw. Verwaltungsgebäudes mit zentralem Gang (der innenarchitektonisch jetzt eine überraschende, jedoch sehr überzeugende neue Lösung erhielt), von dem rechts und links die einzelnen Zimmer abzweigen. Dort ist in chronologischer Anordnung die Dauerausstellung untergebracht, mit wenigen, doch sehr aussagekräftigen Exponaten, Biographien des Personals, kurzen, größere Zusammenhänge erklärenden Texten – und Schreibtischen und Regalen zur Verdeutlichung der Büroatmosphäre.
Gerade die Gestaltung der sichtbaren Kontinuitätslinien in diesem Gebäude könnte für unsere Halle 116 in Augsburg Anregungen bergen!

Und Gertrud Scheuberth schreibt:

Führung mit Friedemann Rincke im Hotel Silber in Stuttgart am letzten Mittwoch, 21.10.2020: Überraschend und, im ersten Moment, befremdlich, die Täter in den Fokus zu stellen. Aber schließlich saß die württembergische Polizei von 1928-84 ununterbrochen in dem ehemaligen Hotel, und der genaue Blick auf die Nahtstellen 1933 und 45, wie ihn die Ausstellung ermöglicht, lohnt sich, auf Brüche und Kontinuität. Der Blick auf die Opfer stellt sich dann - leider - ganz von selber ein.
Mich als spurensuchendes "Augsburger Täterkind" hat eine Quelle besonders berührt: Die Frau eines Gestapomannes schreibt im Tagebuch für ihre 1940 geborene Tochter über den zum "Sonderkommando" nach Russland Abkommandierten: "Damit ist deinem Vati ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen. Denn schon so lange hatte er darauf gewartet..." Solche Quellen sind selten. Danke an Benigna Schönhagen für die Organisation!